Samstag, 27. April 2013

Wie der Moloch sich verrechnet

Unser relativ kurzer Vorstoß in die Öffentlichkeit hat große Resonanz gefunden. Die allgemein als desaströs empfundene Angelegenheit eines Schnellstraßenprojektes vor allem zum Schaden eines Natura 2000 - Nationalparkes war Tagesthema in Radio Kraków (Pressebericht zur Sendung, polnisch) und in anderen lokalen Medien.

 Ein kleines Lehrstück, wie gekonnt Politiker die Betroffenen täuschen wollen.

Die Berichterstattung lieferte Statements vom verantwortlichen Vizemarschall von Kleinpolen, Roman Ciepiela, in einer beschwichtigenden politischen Sprache, die in sich sehr widersprüchlich ist. Zu Beginn sollte die Aussage "Momentan ist der Bau einer neuen Schnellstraße von Krakau nach Olkusz nicht geplant." beruhigend stimmen. Aber im weiteren Verlauf wird so konkretisiert, dass es für aufmerksame Zuhörer zu einer Sinnumkehr kommt.  "Falls es es sich herausstellen sollte, dass es nicht möglich ist, die Schnellstraße von Krakau nach Olkusz in Form einer neuen Trasse zu realisieren, wird die Generaldirektion für staatliche Straßen und Autobahnen die Planung für den Ausbau der Alternative Nr. 94 wieder aufnehmen."

Im Klartext, der Neubau der Schnellstraße hat doch Priorität! 

Leute, die nicht direkt betroffen sind, hören jedoch nicht mehr so genau zu, was Politiker im weiteren Verlauf eines Interviews so dahin reden. Damit wird erreicht, dass die Protesthaltung der Bevölkerung sehr schnell wieder einschläft. Ich nehme an, dass Politiker, die für Milliarden-Investitionen einiger privater Player ihr Gesicht hinhalten sollen, nicht ohne Beratung in ein Interview gehen. Das Bild einer so fest sitzenden wirtschaftlichen und politischen Kaste stößt jedoch zunehmend auf Abneigung und berechtigte Zweifel, ob die Volksvertreter noch das Wohl der Menschen im Auge haben. In dieser Angelegenheit auf alle Fälle.

Falls meine Vermutung stimmt, dann wurde Roman Ciepiela schlecht beraten, so schlecht, wie auch das gesamte Konzept dieses "Feindlichen Weges", mit einer Schnellstraße gegen die Bevölkerung einer ganzen Region anzubauen! Ich frage noch einmal: Was denken sich die Verantwortlichen dabei?

Wahrscheinlich nichts. Für eine Firma wie ARUP ist das ein Auftrag wie viele andere auch, sie und ihre Auftraggeber kennen weder unsere Region, noch die dort lebenden Menschen, haben keine Ahnung von der hiesigen Kultur. Es gibt während der Planung, die bereits 2 Jahre dauert, keine Konsultation der Bevölkerung. Das höchstwahrscheinlich bereits sehr umfangreich ausgearbeitete Schnellstraßenkonzept der Firma ARUP liegt als noch geheimes Dokument in einem Safe in der Warschauer Zentrale. So berichtet eine Quelle. Des weiteren stellte sich mittlerweile heraus, dass die Verwaltung des betroffenen Nationalparks Ojców keine offizielle Verständigung von der Planung einer Schnellstraße in ihrem Aufsichtsbereich erhielt.

Ich will noch einmal zusammenfassen, dass es sich um ein Schnellstraßenprojekt handelt, welches von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird, da in teilweise dicht verbautem Gebiet bereits bestehende Siedlungen und Dörfer unwiederbringlich zerstört werden, damit auch die in den letzten Jahren neu aufgebaute regionale Ökonomie und dass mit der extrem invasiven Trassenführung (bei allen Varianten) eine schwere ökologische Schädigung der betroffenen Region in Kauf genommen wird.

Dies hat zur Folge, dass der Nationalpark Ojców und die vorgelagerte naturgeschützte Region ihren Charakter als primäres Ausflugsziel verlieren werden. Diese Autobahn hieße das Aus für einen qualitativen Tourismus und der Wegfall einer der wichtigsten potentiellen Einnahmequellen in der regionalen Ökonomie. Dazu kommt die Degradierung der Region als exklusiver Kulturraum und besonders ruhiger, sicherer, gesunder Wohnort zu charakterlosen Siedlungen an der de facto Autobahn. Entlang der stinkenden Lärmstrecke werden keine reichen Villenbesitzer mehr wohnen wollen, ein schneller Ausverkauf und Wertverfall von Liegenschaften steht bevor.

Das Leid der kleinen Leute, welche so um ihren erarbeiteten Besitz gebracht werden, ist gar nicht auszudenken. Können sich die Verantwortlichen überhaupt vorstellen, was es heißt, sich selbst ein Haus zu bauen, auf die eigene Arbeit ein moralisches Anrecht zu haben? Wissen sie was es heißt, ein Feld zu bestellen, als Bauer zu überleben? Kennen sie das menschliche Maß? Kennen sie die Größe der kleinen Menschen, die sehr wohl Ignoranz und Brutalität von Güte und Fürsorglichkeit unterscheiden können? Wissen sie was es heißt, in einer intakten Landschaft zu leben, in der einerseits Wohlstand eingekehrt ist, aber nicht Geld und Gier das Leben dominieren? Wissen sie was es heißt, den Menschen ihre Heimat zu nehmen?

Sie können es nicht wissen, sonst wäre dieses Projekt nie in dieser Form entstanden und nie so abgewickelt worden.

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