Montag, 30. Mai 2011

Heilige Messe und Bigos

Am 28. Mai, in Polen zum Anlass passend gerade Muttertag, wurde die Rekonstruktion der "Schwarzen Madonna von Częstochowa" am Brama Krakoska, einer weithin bekannten Felsformation im Nationalpark Ojców feierlich eingeweiht.
Artikel über die Ikone in der Lokalpresse

Nach einer Trockenperiode fiel gerade am Tag der Einweihung der lang ersehnte Regen. Trotz des feucht-kühlen Wetters harrten viele Besucher während der einleitenden Messfeier einen Nachmittag im Freien aus.
Am Vortag war es vor dem ersten Regen und der Dämmerung gerade noch gelungen, die alte Ikone ohne weitere Zerstörung aus der Felsnische zu meißeln und die neue an der selben Stelle einzumauern. Dazu musste ein fünf Meter hohes Gerüst aufgestellt und diverse Werkzeuge mit einem Stromgenerator angetrieben werden. Die Arbeiten wurden von einem Organ des Nationalparks  begutachtet, die alte Ikone bleibt im Besitz der Nationalparverwaltung.

Weihung
Am Tag der Feier waren die Strapazen des Vortags vergessen. Es war den Organisatoren gelungen, rechtzeitig eine Postkarte mit dem Motiv der neuen Ikone zu drucken und ein Münzpräger stellte eine Medaille mit ihrem Konterfei her. Alles in allem war es eine sehr meditavie Veranstaltung im Kreis von Einheimischen, für die dieser Ort ein neuralgischer Punkt ist. Unter den nassen Bäumen war eine Freilichtausstellung zu besichtigen, welche anhand alter Fotoreproduktionen die Gegend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts  zeigte, und manche der Älteren können sich noch an die bereits verschwundenen Häuser und Gehöfte der Bediensteten des damals hier ansässigen Landadels erinnern. Bewuchs, Wege und Grundstücke, vieles sieht heute ganz anders aus, die beiden Felsnadeln des "Krakauer Tors" haben die Zeiten fast unverändert überdauert.

Schauen am Brama Krakowska
Besonders am Wochenende bei Schönwetter ist diese Stelle im Park Ausflugsziel und Verweilpunkt von Jung und Alt aus Krakau. Immer wieder bleiben Gruppen an diesem Knotenpunkt von Wanderwegen stehen, hören  Reiseführern zu, machen Fotos. Immer wieder deuten welche zur alten, nun erneuerten Ikone hinauf. Es ist ein Platz an dem wahrscheinlich seit der Besiedlung des Tals vor Jahrzehntausenden dauernd etwas los ist, der den Menschen in seinen Bann zieht.

Erneuerung der Natur
Immer wieder taucht das Argument auf, woher eine katholische Symbolik das Recht nimmt, einen öffentlichen Ort besetzt zu halten. Ich finde, wenn allgemein religiöse Symbole dazu missbraucht werden, um politischen Parolen und Machtgedanken den Teppich auszurollen, dann ist ihre Darstellung eine Verfehlung.

In dieser Ikonenerneuerung am Brama Krakowska sehe ich keine politische Agitation.  Glaubensinhalte mögen individuell verschieden sein, aber die Auswirkung eines Gnadenbildes auf die Umwelt kann schon als allgemein verständlicher Wert betrachtet werden, ohne jemandem dadurch eine bestimmte konfessionelle Richtung aufzuzwingen. Toleranz sollte in beide Richtungen gehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass überall dort, wo eine liebevolle marianische Symbolik wirkt, im Strahlbereich von bestimmten Wallfahrtsorten, diese einen besonders positiven Einfluss auf die Region und deren Natur ausübt. 
Je stärker diese Kraft hervor tritt, desto idealer, blühender und reiner scheint sich die Landschaft zu erhalten.  Reines Wasser, saubere Luft, guter Boden, ein reiches Ökosystem haben einen hohen, heilsamen Wert. Man kann sich nun streiten, welches eine das andere nun bewirkt, doch eines ist klar, der Wert unserer Umwelt wird immer mehr beschnitten. Befinden sich in einer intakten Landschaft anerkannte Punkte für Pilgerer, wird wohl auch für mehr Sauberkeit und Ästhetik der Umgebung gesorgt.

Profaner Ausklang
Tomek Gubała, der  Initiator dieser Ikonenerneuerung, dem sich in Folge immer mehr Mitarbeiter angeschlossen haben, hat vor einigen Jahren den Verein Archezja gergründet, vor allem mit dem Ziel junge Menschen vom Alkohol wegzubringen oder soziale Handycaps zu überwinden. Die Initiative beinhaltet die Ausbildung von Mentoren und Schaffung von Selbsthilfegruppen. Diese veranstalten Seminare auf einem nahe der Felsnadeln gelegenen Waldgrundstück, wo an diesem Nachmittag im Vereinszelt mit heißem Bigos und Grillwürsten vom Lagerfeuer der Ausklang der Veranstaltung gefeiert wurde. Die Stimmung in diesem Langzelt war sehr urig, ein dampfender Kessel Krautfleisch am Boden, die Einheimischen aus der Umgebung, verschiedene Altersgruppen friedlich vereint im Wald.

Sonntag, 22. Mai 2011

Die Ikone am Brama Krakowska

Wahrscheinlich haben selbst viele Einheimische der nächsten Umgebung von nichts von der Existenz eines kleinen Mutter Gottes-Bildnisses am Brama Krakowska, dem "Krakauer Tor" gewusst, einem beliebten Ausflugsziel im Nationalpark Ojców nördlich von Krakau. Das lag sicher daran, dass die Ikone an einer hohen Stelle, nämlich fünf Meter über dem Boden,  an der rechten von zwei Felsnadel so über den Köpfen der Vorüberkommenden angebracht war, dass sie nur jene sahen, die regelrecht danach suchten.
Zudem war sie mit etwa 20 mal 30 Zentimeter recht klein. Und nicht zuletzt hatten die Ausbleichung des Bildes und die Verwitterung des Holzrahmens dazu beigetragen, dass das Bild vom grauen Fels nur mehr schwer zu unterscheiden  war. 

Links im Bild das beschädigte Original, rechts die von mir vorgenommene Rekonstruktion nach der "Schwarzen Madonna von Częstochowa"


Herkunft
So wenig das Bildnis allgemein beachtet wurde, einer wandte immer wieder seinen Blick hinauf zu dieser Nische im Felsen. Tomasz Gubała, aufgewachsen im Tal des Nationalparks und heute als Gemeindebedienster im benachbarten Zielonki tätig, hat einen starkem Bezug zur Region.  Das Bild erinnerte ihn regelmäßig an seinen Großvater, der vermutlich  vor 76 Jahren das heilige Bild als Souvenir von einer Pilgerfahrt aus Tschenstochau mitbrachte und an ungewöhnlich hoher Stelle in den Felsen eingemauert hatte. Der genaue Anlass ist nicht mehr bekannt, aber es gibt einige Vermutungen. So zeigt eine alte Postkarte aus dieser Zeit den Besuch des damaligen polnischen Präsidenten Ignac Mościcki, wie er gerade eine Straße in Ojców eröffnet. Ojców war damals eine bedeutende Stadt.
Ein anderer möglicher Grund könnte ein extremes Hochwasser in dieser Zeit gewesen sein. Das Wasser reichte angeblich bis an die Stelle, wo sich heute die Ikone befindet. Tomasz Gubała nimmt jedoch eher an, dass der Besuch des Staatsoberhauptes der Grund für die Anbringung war.
Handlungsbedarf nach einem Vandalenakt
Tomasz Gubała rief mich im letzten Winter an und erzählte ganz betroffen von einem Vandalenakt an "seiner" Ikone. Die Glasscheibe, welche des zarte, auf Furnierholz gemalte Bildnis vor der Witterung schützen sollte, war mit einem Stein herausgeschlagen worden. Jemand musste mehrmals gezielt haben, denn so auf Anhieb war das kleine Bild kaum zu treffen. Ich erklärte mich spontan dazu bereit, die beschädigte Ikone zu restaurieren. Das ist die beste Antwort auf diese mutwillige Zerstörung. 

Erneuerung
Als der Winter zu Ende ging, rückten wir mit Leitern aus und ich bekam die Gelegenheit, die beschädigten Reste des historischen Stücks am nasskalten Felsen zu untersuchen.  Die geborstene Scheibe hatte den Zersetzungsprozess des feinen Holzfurniers zwar beschleunigt, aber auch ohne Steinwurf wäre das Bild kaum mehr zu retten gewesen. Es musste also mit witterungsbeständigem Material komplett neu rekonstruiert werden. Der Entschluss war schnell gefasst. Noch am selben Tag suchten wir Tomeks Cousin, einen Tischler, auf.  Er stellte einen neuen massiven Hartholzrahmen und eine in traditioneller Methode gefertigte Ikonen-Bildtafel her. 

Die Magie der guten Tat
Es hatte von Beginn an auch etwas Übersinnliches. Schon als ich alleine mit dem Rad in den Park fuhr und so gut es ging am Fuße des Felsen Art, Herkunft und Zustand der Ikone herausfinden wollte, kamen plötzlich Menschen herbei, sprachen mich an, fragten was hier los ist, blieben stehen, kommentierten, fotografierten für mich und gaben ihre Visitenkarten, E-Mailadressen. Es war sehr eigenartig. Normalerweise wird man doch nicht dauernd angesprochen! Alle waren sehr hilfsbereit. Also habe ich sie zur feierlichen Einweihung eingeladen. 

Zunehmende Resonanz des Projektes
Die Vorbereitungen zur Wiederherstellung der Ikone am Brama Krakowska wurde in einigen lokalen polnischen Medien erwäht, wie hier in der Online-Ausgabe des "Kronikarz" (der Chronist), der Gemeinde Skała. Es meldeten sich immer mehr Leute, die zu diesem Projekt etwas Konstruktives beitragen wollten.