Donnerstag, 13. Oktober 2011

Die ersten Lehmbild-Vernissagen

Janusz Terakowski bei der Eröffnungsrede in der Villa Biały Prądnicki in Krakau.

Zur falschen Zeit am falschen Ort

 Das erste Mal zeigte ich meine Lehmbilder in meiner Geburtsstadt Wien im Jahr 1992 in der Augenklinik "Contacta",  unweit der Kärntnerstraße im Zentrum. Außer einem postkartengroßen Zettel mit der unkorrekten Angabe des Eröffungszeitgpunktes wurden keine Informationen versendet.  Die ersten 15 Bildtafeln hatten damals noch sehr experimentellen Charakter, niemand konnte etwas mit dem Begriff "Lehmmalerei" anfangen, das Publikum bestand hauptsächlich aus zufällig anwesenden Augenpatienten. Die Leitung der Klinik bemühte sich redlich, das beste daraus zu machen, aber es war keine weitere Resonanz mehr zu erwarten. So schnell es ging, hakte ich diesen Misserfolg ab, denn ich hatte nach einem Krakaubesuch die Einladung  in der Tasche, mit den Bildern nach Polen zu kommen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Während die Bilder im Korridor der Klinik noch ihre Anwesenheitspflicht taten, organisierte meine spätere Frau und ich die nächste Ausstellung in einem bekannten Krakauer Kulturhaus, dem Dworek Biały Prądnicki. Es handelt sich dabei um eine Villa im Stile des ehemaligen Landadels, deren Hauptsaal ein ideales Ambiente für Konzerte und Ausstellungen abgibt. Die Bilder selbst musste ich umständlich verzollen und mit einem geborgten Auto über die Grenzen bringen. Da kein Grenzer etwas mit "Lehmbilder" anfangen konnte, wurde die Fracht als "Kunstwerke: Kategorie farbige Erdproben" deklariert.

Grundsätzlich ging jedoch alles überraschend gut und und es kamen einige Faktoren ins Spiel, die teilweise nichts mit meiner Malerei zu tun hatten, die aber mehrere Ausstellung in Polen zu einem unerwarteten Erfolg werden ließen.


Vernissagenrede als Botschafter einer besseren Welt.


"Krakau und Wien sind Geschwister"

Wo ich auch hin kam, wurde der "Österreicher" sofort herum gereicht, da gerade die Krakauer so kurz nach der Wende (nach 1989) eine überschwängliche Sentimentalität gegenüber alles Wienerische pflegten, was aus der angeblich so goldenen Epoche der k.u.k. Monarchie herrührte.
Zum anderen, war ich aus dem komfortablen Westen gegen den Strom geschwommen und habe den Gastgebern zusätzlich eine Liebesgeschichte mitgeliefert, eine süße Story, die ebenso sentimental in den Medien verbreitet wurde. Die Leute brauchten  scheinbar solche optimistischen Farbflecke in der damals noch sehr grauen und chaotischen Realität ihres in Reformbemühungen steckenden Landes. Ein Österreicher, der eine Polin in Krakau heiratet, das blieb nicht unerwähnt, diese Sympathie nahmen die Einwohner persönlich.  Zudem war die Lehmmalerei eine absolute Novität und sie bewirkte indirekt, dass sich viele Kreative damals herausgefordert fühlten, ebenso neue Parameter und kräftige ökologische Akzente zu setzen. Das betraf auch die Bereiche Schule und Umweltschutz.

Als Botschafter des Westens

Jetzt im Nachhinein mögen solche Behauptungen, ich hätte mit ein paar Lehmbildern die Gesellschaft verändern können, überzogen wirken, aber die Gunst der Stunde hatte diese Situation geradezu herausgefordert. Die Bilder selbst waren vielleicht wirklich nur zweitrangig. Regelmäßig verschenkte ich welche, aus Dank für die Gastfreundschaft und weil viele Bekannte kein Geld für Kunst aufwenden konnten. Es gab damals niemanden, der meine Stellung als innovativer Künstler in Frage gestellt hätte und in diesen Tagen waren Menschen aus dem Westen die vor Ort öffentlich Einfluss nahmen eine Rarität, besonders solche, die sich mit dem "einfachen Volk" auf Augenhöhe unterhielten und nicht nur ihre eigenen Interessen anbringen wollten.

Polen, das war für nicht wenige Daheim gebliebene ein eher zu meidender Dreckhaufen, die kaputte Hinterlassenschaft eines totalitären Regimes. Es kam in eigenartiger Weise Bewegung in die ansonsten sehr hermetische geistige und kulturelle Landschaft Krakaus, als plötzlich ein leicht naiver, offenherziger Ausländer auftauchte, mit den Leuten hier den Wandel zelebrierte und in den Medien sich positiv über das Leben im Land äußerte. Die ausgetrocknete Medienlandschaft verlangte nach Stoff für visionäre Bilder, konnte noch mit Ideen experimentieren und durch meine wachsende Bekanntheit öffneten sich viele weitere Türen.

Eine heikle Frage, die gern gestellt wurde war: "Wie siehst du unser Land? Was daran ist gut, was ist schlecht?" Die weiteren betrafen alle Lebensbereiche deren Richtung und Zukunft noch komplett offen waren - Lebensstandard Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Politik, Religion, Demografie, Bildung und Kunst, Gesellschaft und nicht zuletzt Ökologie - eben aus der Sicht eines banalen Österreichers. Ich hatte weder Bücher, noch deutschsprachige Zeitungen, Telefon oder sonstige Medien für die notwendige Informationsbeschaffung zur Verfügung. Und natürlich immer wieder, wie das denn geht, mit Lehm zu malen und ob die polnischen Frauen nicht schön seien.
In vielen Bereichen herrschte noch große Naivität und vieles holte ich wahrscheinlich deswegen erfolgreich mit jugendlichem Charme aus dem persönlichen Fundus, weil durch die Sprachbarriere und die Notwendigkeit des Dolmetschens die Gefahr von spitzfindigen Diskussionen kaum gegeben war. Wahrscheinlich war es damals meine jugendliche, unbeschwerte Art, welche die Leute überzeugte. Für diesen Anfang war das mehr als ausreichend.

Die bunte Erden aus dem Boden des Landes haben mir geholfen, in diesen Zeiten der Wandlung das Gefühl zu vermitteln, dass neben überraschend schönen Farben noch viel mehr von der Zukunft erwartet werden kann. Wenn man umdenkt, immer weiter lernt, innovativ und offen für neues bleibt ...
 
 
Folgeausstellung in einer Bildungseinrichtung in Nowa Huta









Kinder betrachten während der Vernissage
die schillernden Tonkristalle der Erdpigmente
unter dem Mikroskop.

Als Botschafter des Ostens
 
Nach einiger Zeit war das natürlich nicht mehr ausreichend, es wurden handfestere Lösungen gefordert, um in einer neuen harten Realität zu überleben. Diesen Belastungstest musste auch die Lehmmalerei durchmachen und über lange Strecken waren die Ergebnisse ernüchternd. Meine Botschaft damals war vor allem die Schaffung eines naturnahen Zustandes. Die rein physikalischen Eigenschaften der Lehmbilder hatten jedoch keine spürbar positiven Auswirkungen auf Raumklima und sonstige Lebensverhältnisse in belasteter Umgebung, also dort wo es wirklich gebraucht werden würde. Eine Serie von 15 großformatigen Lehmbildern wurde in einem verrauchten Szenelokal innerhalb eines Jahres komplett vom Rauch vernichtet. In Plattenbauten konnten die erdigen Implante an den Wänden unmöglich gegen die Ausdünstungen von Plastigbelägen, lackierten Wänden und dem Smog der Schwerindustrie ankommen. Ich habe diese Objekte nicht nur entwickelt sondern auch unter extremen Bedingungen getestet.
Andere Eigenschaften sind psychologischer Natur und hier gibt es sicher Auswirkungen, die vom Material besser gefördert werden. Man denkt sofort an die Harmonien der Ökologie, aber diese Sicht greift mittlerweile viel zu kurz.  Hinter dem Urmaterial steht eine ursprüngliche Idee, deren Kenntnis eine besondere Striktheit abverlangt, eine langwierige Umsetzung des noch Unbekannten und eine konsequente Neuordnung des Lebens. Erst nach und nach kam mir die Erkenntnis, das die Lehmmalerei nicht zuerst an das Material sondern an das Wort gebunden ist. Durch das Wort habe ich sie erhalten und dem Wort soll sie dienen. Es dauerte sehr lange, bis ich das begriffen hatte und bis heute suche ich nach dem besten Weg, diesem Anliegen dienlich zu sein. 




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